22. BI / DIE ANMUT
Anmut hat Gelingen.
Im Kleinen ist es fördernd, etwas
zu unternehmen.
Die Anmut bringt Gelingen. Aber sie ist nicht das
Wesentliche, die Grundlage, sondern nur die Verzierung. Daher darf
sie nur sparsam, im Kleinen angewandt werden. In dem unteren Zeichen,
Feuer, tritt eine weiche Linie zwischen zwei starke und macht sie
schön; die starken aber sind das Wesen, die schwache Linie ist die
verschönernde Form. Im oberen Zeichen, Berg, tritt die starke Linie
bestimmend an die Spitze, so daß sie auch hier als ausschlaggebend
in Betracht kommt. In der Natur sieht man am Himmel das starke Licht
der Sonne. Auf ihr beruht das Leben der Welt. Aber dieses Starke,
Wesentliche wird umgewandelt und findet anmutige Abwechslung durch
Mond und Sterne. Im Menschenleben besteht die schöne Form darin, daß
wie Berge feststehende, starke Ordnungen da sind, die durch die klare
Schönheit gefällig gemacht werden. Die Betrachtung der Formen am
Himmel verleiht die Fähigkeit, die Zeit und ihre wechselnden
Anforderungen zu verstehen. Die Betrachtung der Formen im
Menschenleben verleiht die Möglichkeit, die Welt zu gestalten.
Bemerkung: Das Zeichen zeigt die ruhende Schönheit:
innen Klarheit und außen Stille. Das ist die Ruhe der reinen
Betrachtung. Wenn das Begehren schweigt, der Wille zur Ruhe kommt,
dann tritt die Welt als Vorstellung in die Erscheinung. Und als
solche ist sie schön und dem Kampf des Daseins entnommen. Das ist
die Welt der Kunst. Aber durch bloße Betrachtung wird der Wille
nicht endgültig zur Ruhe gebracht. Er wird wieder erwachen, und
alles Schöne war dann nur ein vorübergehender Moment der Erhebung.
Darum ist dies noch nicht der eigentliche Weg zur Erlösung. Kungtse
fühlte sich daher auch sehr unbehaglich, als er bei Gelegenheit
einer Befragung des Orakels das Zeichen Anmut bekam.
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